Fantasia para un Gentilhombre

Joaquin Rodrigo Vidre, geb. 1901 in Sagunto (Valencia), erblindete in seinem dritten Lebensjahr nach einer Diphterieinfektion. Mit 8 Jahren begann er Klavier und Geige zu spielen, mit 16 zu komponieren. Seine Stücke zeichnete er in Brailleschrift auf. Nach ersten Erfolgen ging er nach Paris, um am Conservatoire bei Paul Dukas zu studieren. Außerdem lernte er Ravel und Manuel de Falla kennen. 1933 heiratete er die jüdisch-türkische Pianistin Victoria Kamhi, die auch seine engste Mitarbeiterin wurde. Während des spanischen Bürgerkrieges 1936-39 lebten sie in Paris und Deutschland, um kurz vor Ausbruch des Krieges endgültig nach Spanien zurück zu kehren. 1940 schrieb er für seinen Freund, den Gitarristen Regino Sainz de la Maza sein berühmtestes Stück, das Concierto de Aranjuez und emanzipierte damit die Gitarre als ernst zu nehmendes Solo-Instrument. Seit 1947 war Rodrigo Professor an der Madrider Universität und Leiter der künstlerischen Abteilung der spanischen Blindenorganisation O.N.C.E. 1991 wurde ihm vom König der erbliche Titel "Marquis der Gärten von Aranjuez" verliehen. Rodrigo starb in Madrid im Alter von 98 Jahren und wurde in Aranjuez beerdigt.

1954 beauftragte der "Grandseigneur" der spanischen Gitarre Andrés Segovia den Komponisten, für ihn ein Stück zu schreiben. Augenzwinkernd nannte Rodrigo es "Fantasia para un gentilhombre". Es wurde 1958 in San Francisco mit Segovia uraufgeführt. Es bezieht sich ebenfalls auf alte Tänze, diesmal natürlich spanische von Gaspar Sanz, der zwischen 1674 und 1697 drei Bände einer grundlegenden Gitarrenschule und Musiksammlung herausgab. Rodrigo hält sich sehr eng an die Melodien der Vorlage, gibt ihnen aber ein höchst originelles experimentelles Klanggewand. Die Solo-Gitarre darf zeigen, was sie kann, ist aber immer eng in das kammermusikalisch sehr durchsichtige Wechselspiel der Instrumente eingebunden. Im einleitenden Villano klingen bereits einige Themen des Folgenden an. Ricercare kommt vom italienischen "suchen, forschen". Die Gitarre beginnt allein, imitiert und begleitet sich selbst in einer kleinen Fuge, dann übernehmen Bläser in aparten Kombinationen (Piccoloflöte, Flöte und Trompete) und die Streicher, während die Gitarre sich immer mehr in Akkorde und Arpeggien steigert. Españoleta, ein melancholischer Gesang, mündet in die Fanfare der Kavallerie von Neapel. Die Orchesterbässe und die Gitarre imitieren hier auf unnachahmliche Art eine schnarrende Trommel. Die Trompete bläst in reizvoller Kombination mit Flöte und Fagott. Zum Schluss kehrt die Españoleta-Melodie zurück und verklingt mit zarten Flageoletttönen der Gitarre. Danza de las hachas heißt bei Sanz "de las hachas o de las antorchas". Ob jetzt Äxte oder Fackeln gemeint sind, es geht in jedem Fall feurig zur Sache. Den Tanz Canario beschreibt Arbeau als "fröhlich, seltsam und fantastisch mit stark barbarischem Anstrich." Er wurde oft mit bunten Federn maskiert getanzt. Charakteristisch waren zahlreiche Sprünge, rhythmisches Stampfen und improvisierte Schrittfolgen. Das Stampfen werden Sie in der Gitarre hören, oft gegen die Betonung des Sechsers im Dreierrhythmus. Rodrigo hat aber auch viel Freude an der Vogelimitation. Man meint, eine ganze - aufgeregt zwitschernde - Sippe von Kanarienvögeln zu hören. Vor der großen Solokadenz, in der die Gitarre endlich einmal allein ihr Können zeigen kann, schleicht sich sogar ein Vogel ein, der gern seine Eier in fremde Nester legt. Ein humorvoller Hinweis des Komponisten auf seine Bearbeiterrolle bei diesem Stück.

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