3. Sinfonie "Die Englische"

Hubert Parry, 1848 in Bournemouth geboren, entdeckte seine Leidenschaft für die Musik ebenfalls als Schüler in Eton durch den dortigen Organisten George Elvey. Parry spielte häufig die Orgel, komponierte bereits einige Choralkantaten und machte nebenbei als jüngster Kandidat den "Bachelor of Music" in Oxford. Dennoch studierte er dort nicht Musik, sondern Recht und moderne Geschichte und arbeitete danach einige Jahre als Angestellter der Lloyd's Versicherung. Die Freizeit widmete er der Musik, besonders dem Studium der deutschen Komponisten, allen voran Bach. Da der verehrte Brahms ablehnte, nahm er Unterricht bei Pierson in Stuttgart, in England bei William Sterndale Bennett und dem Pianisten Edward Dannreuther, der ihn mit seiner Wagner-Begeisterung ansteckte. Er sorgte auch dafür, dass Parrys Kammermusik und ein erstes Klavierkonzert aufgeführt wurden. 1872 entließ ihn die Versicherung; endlich war er ganz frei für die Musik.

George Grove entdeckte sein schriftstellerisches Talent und engagierte ihn als Assistenten für sein großes Musiklexikon. Parry schrieb dafür 123 Artikel. Außerdem wurde er Dozent für Komposition und Musikgeschichte am neuen "Royal College of Music" und übernahm dort 1895 Grove's Nachfolge als Direktor. Als Lehrer ist Parrys Einfluss auf die Entwicklung des englischen Musiklebens gar nicht hoch genug einzuschätzen. Die Reihe seiner prominenten Schüler spricht für sich: Edward Elgar, Ralph Vaughan-Williams, Gustav Holst, Frank Bridge und John Ireland.

Inzwischen war er auch als Komponist von großen Chorwerken, biblischen Oratorien und Schauspielmusiken berühmt geworden. Seine 5 Symphonien wurden dagegen wenig beachtet, was sich erst jetzt langsam zu ändern beginnt. Hubert Parrys berühmtestes Stück "Jerusalem" entstand 1916 als patriotischer Song mitten im Krieg ausgerechnet gegen Deutschland, was sein humanistisches Weltbild zusammenbrechen ließ. Er starb 1918 an den Folgen der Spanischen Grippe.

Die 1889 geschriebene 3. Sinfonie trägt ihren Beinamen "Die Englische" sicher zu Recht, denn sie trägt einige typisch-englische Charakterzüge: Freude an der unendlichen Melodie, ein guter Schuss skurriler Humor, Liebe zur Idylle, aber auch zum sportlichen Wettstreit, zum Feiern und ausgelassenen Tanzen. Eine Festtags-Sinfonie in strahlendem C-Dur mit zupackender, lebensbejahender Grundeinstellung. Nicht zu überhören ist, dass Parrys musikalische Götter Bach, Mendelssohn, Brahms und Wagner heißen. Alle hat er genau studiert und von ihnen gelernt, aber er ahmt sie nicht einfach nach. Dabei gelingt ihm das Kunststück, Komplexität mit Klarheit und Eingängigkeit zu verbinden. Jede Orchesterstimme hat etwas Eigenes zu sagen, trotzdem wirkt das Ganze nicht überladen.

Die Sinfonie beginnt mit einem energischen, fröhlichen Aufschwung, "Allegro energico", in klassischer Sonatenform. Die Gegensätze finden aber nicht nur zwischen den Themen, sondern auch gleichzeitig statt. Immer werden 2 bis 3 verschiedene Motive gegeneinander gesetzt. Die Entwicklung der Themen aus kleinsten Motiven lässt an Beethoven denken, aber die Musik spricht doch von ganz anderen Dingen. Hier geht es eher um ein lustvolles Kräftemessen als um das Ringen mit dem Schicksal. Hochdramatisch wird es trotzdem. Alle Facetten der Themen werden kunstvoll gegeneinander ausgespielt. Im 2. Satz wird der Ton nachdenklicher, die Holzbläser singen in Terzen und Sexten eine melancholischschwärmerische Serenade, von den Streichern mit wellenförmigen Auf- und Abschwüngen begleitet. Leidenschaftlicher Aufschwung in hochromantischem Ton fehlt auch hier nicht, es gibt kleine Rezitative und in den Raum gestellte Fragen. Wovon hier erzählt wird, dürfen Sie sich selbst ausmalen. Im 3. Satz ist das nicht schwierig. Im Dreiertakt wird ausgelassen getanzt. Der Schlusssatz ist ein ausgedehnter Variationensatz nach Brahmsschem Vorbild; die raffinierten Mischklänge hat Parry Wagner abgelauscht. Der Satz beginnt mit elegischem Gesang und steigert sich zu fröhlichem Schlagabtausch. Zwischendurch entführen uns die Hörner in den Wald und die Klarinetten machen einen Ausflug ins Alpenland, während die Streicher zu einem deftigen Schuhplattler aufspielen. Auf dem Höhepunkt des Satzes scheint es, als hätten alle das Florett gezogen und es gibt ein fröhliches Wettfechten zwischen Bläsern und Streichern. Am Ende beruhigt sich alles wieder; dann erscheint noch einmal das Originalthema zur großen Schlusssteigerung.

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