Edvard Grieg

Edvard Grieg wurde 1843 im norwegischen Bergen geboren. Sein Vater hatte schottische Wurzeln und war britischer Konsul in Bergen, seine Mutter Pianistin. Sie unterrichtete ihn vom 6. Lebensjahr an und machte ihn mit Mozart, Beethoven und Chopin vertraut. Als 15jähriger wurde er vom norwegischen „Paganini“ Ole Bull nach Leipzig empfohlen, wo er aber mit seinem ersten, etwas pedantischen Lehrer, der ihn mit Czerny, Kuhlau und Clementi-Etüden traktierte, nicht glücklich wurde. Auch später schimpfte er gern über „das vermaledeite Leipziger Konservatorium, wo ich auch gar nichts gelernt habe.“ Viel gelernt hat er dagegen vom Leipziger Konzertleben, wo er Clara Schumann und Wagners Tannhäuser hörte und Schumanns und Mendelssohns Musik kennen lernte.

1863 ging er für ein Jahr nach Kopenhagen zu Nils Wilhelm Gade. Dort traf er u.a. Hans Christian Andersen, aber vor allem seine Cousine Nina Hagerup, eine begabte Sängerin. Er heiratete sie1867, schrieb für sie unzählige norwegische Lieder und begleitete sie am Klavier. Mit seinem Klavierkonzert in a-Moll setzte er sich international als Pianist und Komponist durch.
Mit dänischer Sprache und mitteleuropäischer Kultur aufgewachsen, kam er durch die Familie seiner Frau und den Komponisten der norwegischen Nationalhymne Rikard Nordraak mit dem erwachenden norwegischen Nationalismus in Berührung. Er lernte die Volksmusik kennen und lieben und entwickelte dadurch eine Vorliebe für die sogenannten „alten Kirchentonarten“, die uns heute wegen der Nähe zum Moll meist melancholisch vorkommen. Das war aber früher durchaus nicht immer der Fall. Bei Grieg kann man das in den Ausbrüchen überschwänglicher Lebensfreude oft spüren. Der Schlussakkord steht aber dann meist doch in Dur.

Sigurd Jorsalfar

Für das Schauspiel seines Freundes Bjørnstjerne Bjørnson, Textdichter der norwegischen Nationalhymne und Theaterchef in Bergen und später in Christiania (Oslo) schrieb Grieg 1872 eine Bühnenmusik, aus der er 20 Jahre später eine Suite mit 3 Stücken zusammenstellte. Es geht darin um den norwegischen König Sigurd I., genannt der „Jerusalemfahrer“ 1090 bis 1130, der 17-jährig mit einer großen Flotte am ersten Kreuzzug teilgenommen hat und u.a. gegen die andalusischen Mauren gekämpft hat.

Das Vorspiel in der Königshalle stellt dem wagemutigen Sigurd den stilleren, nachdenklichen Eystein gegenüber, seinen älteren Bruder und Mitregenten. Borghild, Tochter eines freien Bauern, ist im richtigen Leben die Mutter von Sigurds unehelichem Sohn Magnus, der sein Nachfolger werden wird. Im Schauspiel ist sie wohl unglücklich in Eystein verliebt. Ihr Traum beginnt mit einer von den tiefen Streichern gespielten, durch die Tonarten schweifenden suchenden Melodie. Dann bricht mit bangem Herzklopfen ein beängstigend wilder Gefühlssturm los. Kein schöner Traum!

Auch im triumphalischen Huldigungsmarsch haben mit einem beeindruckenden Celloquartett die dunklen Orchesterfarben das melodische Sagen und auch hier scheint der Grundkonflikt nicht ganz eingeebnet zu sein. Das Thema schwankt ständig zwischen Dur- und Moll, Zweier- und Dreierfiguren sind gleichzeitig zu hören, die Begleitung wird immer unruhiger.
Dann trifft man sich zu einer Art elegischem „Choral“. Schließlich endet das Ganze in einer grandiosen Schlußsteigerung.

Zwei nordische Melodien

Die beiden nordischen Melodien „Im Volkston“ für Streichorchester beginnen überraschend mit einer Einleitung, die in einem unaufgelösten Akkord endet. Danach kommt das Thema vergleichsweise eingängig und fast harmlos daher. Das täuscht aber gewaltig. Gerade die anfangs einstimmigen und in Oktaven gespielten Melodien sind für das Orchester nicht einfach, weil sie extrem leise gespielt werden müssen und ein einheitliches Klangbild dabei herauskommen muss.

Im Laufe des Stückes wird die Begleitung immer komplexer, die Farben immer reichhaltiger, dabei werden die einzelnen Stimmen noch aufgeteilt. Auch hier überlagern sich wieder Zweier- und Dreierrhythmen. Die Harmonik ist geprägt durch abwärts gehende Halbtonschritte, eine melodische Figur, die schon in der Barockzeit (z. Bsp. von Bach) benutzt wurde, wenn es um schwer zu tragendes Schicksal ging („Passus duriusculus, der harte Gang“). Dadurch entstehen Akkordketten, die für die damalige Zeit revolutionär waren, die er auch immer öfter unaufgelöst stehen lässt oder in eine unerwartete Richtung auflöst. Er hat nicht umsonst Wagner und Liszt genau zugehört. Hier wagt er Klänge, die weit in die Zukunft weisen.

Die folgenden Kuhreigen und Bauerntanz beginnen mit leeren Quinten wie sie für die norwegische Hardanger-Fiedel typisch sind. Danach kommt wieder gleich die absteigende Halbton-Figur und elektrisierende nachschlagende Rhythmen, die immer wieder von neuem Fahrt aufnehmen, bis das Ganze in strahlendem C-Dur endet.