20140921 ksta 450 320Kölner Stadt-Anzeiger - 21.09.2014 - Oliver Tripp

Popsongs mit neuer Seele

Richard Strauss trifft auf Michael Jackson, zumindest bei der Premiere der "Night of Rock", das 9000 Zuhörer ins Bergheimer Medio lockte. Mit dabei auch Tobias Wolff, der nicht nur so singt wie Udo Lindenberg, sondern auch so aussieht.

Erst sind es Klangfetzen und Cluster auf den Tasten des Keyboardes von Simon Freihals, als treffe der Hörer wie zufällig Sender über das Wählrad eines alten Radios, dann stimmen Bassist Dominic Witt und Schlagzeuger Erik Schmitz einen Funkbeat auf ihren Instrumenten an, und plötzlich mit mächtig brausendem Streicherklang des Symphonieorchesters Bergheim ist es "Also sprach Zarathustra", eine Richard-Strauss-Komposition, die wie eine Skulptur im großen Saal des Medio steht.

Wie man von Strauss nahtlos den Bogen zu Michael Jackson und den ersten Solisten des Abends, Julia Schulz und Simon Zander, aus dem großen Chor des Musikprojektes "Recovered Dimensions" spannt, erleben die Zuhörer zur Premiere der "Night of Rock" aus der Musikschmiede des Kirdorfer Jugendzentrums Capo.

"Strauss und Jackson kannten sich ganz gut", scherzt Christoph Eisenbarth, der vom Dirigentenpult Rhythmen und Einsätze von Orchester, Chor, Solisten und Band anzeigt und den Abend für rund 900 Zuhörer im ausverkauften Saal moderiert. Eine "neue Seele" habe er den 18 Rock- und Popsongs durch nie dagewesene Arrangements für Soli, Orchesterinstrumenten und Chorstimmen eingehaucht, ausgewählt aus über 400 Liedvorschlägen der Mitglieder von "Recovered Dimension", und jedem Lied einen "kleinen Höhepunkt" gegeben. Sensationen, an denen die Stimmen des Abends maßgeblichen Anteil hatten. Da erntet Sandra Tyralla nach wenigen Zeilen ihres Liedes "Joyful Joyful" mit der vollen Soulstimme begeisterten Zwischenapplaus. Tobias Wolff klingt in "Cello" nicht nur wie Udo Lindenberg, er sieht mit dunkler Sonnenbrille, schwarzem Hut und Langhaarperücke auch so aus wie der Altrocker. Der sichtlich nervösen Hanna Freihals gelingt ein anrührendes "Sound of Silence".

Dabei gewinnen Sängerinnen und Sänger den berühmten Vorbildern zum Trotz den Liedern oft eine ganz eigene Schönheit ab. Mit viel Schmelz singt Valeria Rollo da Adeles "Set Fire to the Rain", Simon Zander erklimmt in "Some Nights" lupenrein auch die hohen Tonlagen und Anne Sass singt das "Think" wie eine Popdiva.

Und wenn nach Liedern wie "Hallelujah", dem Vortrag des gesamten Chores mit dem Musicalauszug "By my Side", einem neckischen Duett zur Discohymne "You're the one that I want" mit Anne Sass und Lea Piontek und vielem mehr dann das Orchester zum Abschluss in John Miles "Music" einmal Tanja Conraths Stimme mit kraftvollem Tutti trägt, ernten sie "Standing Ovations". Der Applaus brandet wieder auf, als Sandra Tyrallah für eine letzte Gänsehaut andächtig "Oh Happy Day" ins Mikrofon haucht.

Welche Arbeit hinter dem über zweistündigen Gemeinschaftsprojekt steckt, lässt Sandra Tyrallah erahnen, als sie sich im Namen des Chores bei Christoph Eisenbarth bedankt. Der habe jedem Lied Noten für jedes einzelne Orchesterinstrument gegeben. Noten und Rhythmen, in die sich das Klassik gewohnte Orchester zunächst einmal habe reinhören müssen, sagte der Leiter des Bergheimer Orchesters, Franz Josef Stürmer. Den Instrumentalisten habe die Zusammenarbeit "unheimlich viel Spaß gemacht". Christoph Eisenbarth rühmte die Kooperation, ebenso wie Schobbe Vois, den "Godfather of Rock'n'Roll des Rhein-Erft-Kreises", sowie das Medio-Team und natürlich seine Sänger und Sängerinnen: "Ich bin manchmal selbst erstaunt, wie gut die sind."