Kölner Stadt-Anzeiger - 19.03.2013 - Joachim Röhrig
Unterwegs auf Nebenstraßen
Sogar die Frau an der Pauke hatte richtig zu tun beim Auftritt des Sinfonieorchesters
Nichts gegen die großen Meister der Klassik, aber es ist zuweilen auch ganz spannend, die Hauptverkehrswege zu verlassen und mal einen Blick in die musikalischen Nebenstraßen zu werfen. Das Sinfonieorchester der Kreisstadt hat deshalb die Konzertreihe "Klassik-Kontraste" gestartet. In diesem Rahmen werden im Medio einmal jährlich Werke aufgeführt, die mehr oder weniger deutlich aus dem üblichen sinfonischen Rahmen fallen und zumindest hierzulande nicht allzu oft zu hören sind. Diesmal führte die Reise nach England, Spanien und Mexiko.
Die erste Halbzeit gehörte ganz den Engländern und hier zunächst den rund 40 Streichern des Orchesters. Sie führten die 1926 entstandene Capriol-Suite von Peter Warlock auf. In dem Werk gibt der Londoner Komponist, der 1930 erst 36-jährig starb, sechs ganz unterschiedlichen Tänzen aus der Renaissance-Zeit ein neuzeitliches Gewand. Es existieren davon auch Fassungen für zwei Klaviere sowie für großes Orchester, doch die Version nur für Streicher ist die wohl reizvollste - vor allem, wenn die vielen Tempo- und Dynamikwechsel so deutlich herausgearbeitet werden wie von den Bergheimer Instrumentalisten.
Nach der fast kammermusikalischen Einstimmung rief Dirigent Franz-Josef Stürmer seine Holz- und Blechbläser hinzu, denn um die 3. Sinfonie von Hubert Parry (1848 bis 1918) in ihrer ganzen Opulenz zur Geltung zu bringen, kann ein Sinfonieorchester kaum groß genug sein. "Die Englische" wird das 1889 entstandene Werk auch genannt, und es trägt in der Tat vieles in sich, was die Orchestermusik des ausklingenden viktorianischen Zeitalters auszeichnet - etwa die Vorliebe für weit ausschweifende Melodiebögen, für eingängige Themen, für den zuweilen fast duellartigen Widerstreit der einzelnen Orchesterstimmen und nicht zuletzt für Pracht, Prunk und spektakuläre Steigerungen. Da bekam sogar die Paukistin des Ensembles mal richtig was zu tun.
Ruhiger und filigraner ging es im zweiten Teil weiter. Auf dem Programm stand ein Werk von Joaquin Rodrigo (1901 bis 1999), aber nicht das allseits bekannte Concerto de Aranjuez, sondern die 1958 uraufgeführte Fantasia para un Gentilhombre. Sie bezieht sich in ihren vier Sätzen ebenso wie Warlocks Suite auf alte Tänze, diesmal aus dem spanischen Barock, bleibt aber bei aller Experimentierfreude näher an den ursprünglichen Melodien. Mit dem Gentilhombre, dem Edelmann, ist übrigens die spanische Gitarrenlegende Andrés Segovia gemeint, für den Rodrigo das Werk geschrieben hat.
In Bergheim übernahm der Aachener Hans-Werner Huppertz als Gastsolist den Part des Edelmanns an der Konzertgitarre und begeisterte das Publikum mit betörenden Dialogen mal mit den Streichern, mal mit der kleinen Bläsersektion des Orchesters.
Den Ausklang eines vom Publikum zu Recht mit lang anhaltendem Beifall gewürdigten Konzertabends bildete schließlich ein Abstecher in die Gegenwart: Im unüberhörbar von karibischer Lebensfreude beseelten Danzón Nr. 2 des mexikanischen Komponisten Arturo Marquez (geboren 1950) sprühte das gut aufgelegte Sinfonieorchester noch einmal vor Spielfreude und weckte Lust auf weitere Klassik-Kontraste.