20110412 ksta 450 320Kölner Stadt-Anzeiger - 12.04.2011 - Alexander Kleinschrodt

Ein Rebell mit weichen Seiten

Das Bergheimer Sinfonieorchester gefiel mit dem Cellokonzert von Friedrich Gulda

"Klassik-Kontraste" heißt die Reihe, in der das Sinfonieorchester Bergheim klassische Werke mit Musik zusammenbringt, die nicht immer auf Anhieb in eine Schublade zu stecken ist. Das funktionierte hervorragend, als zuletzt aus Beethovens "Pastorale" und der Musik von Takashi Bernhöfts Weltmusik-Projekt "Pentablue" ein abendfüllendes Programm komponiert wurde. Und auch diesmal machten Dirigent Franz-Josef Stürmer und seine Bergheimer Musiker Ernst mit der Idee, den Begriff Klassik für sich neu zu bestimmen.Das Cellokonzert von Friedrich Gulda machte die eine Hälfte des Konzertes im Bergheimer Medio aus. Gulda, der auch heute, mehr als zehn Jahre nach seinen Tod, noch hochgeschätzte österreichische Pianist, war schon jung als Beethoven- und Bach-Interpret weltberühmt geworden, wandte sich dann aber aus Unzufriedenheit mit dem festgefahrenen Musikbetrieb dem Jazz und der frei improvisierten Musik zu. In den Achtzigern schrieb Gulda dann viele Einflüsse vereinende Musik für den Konzertsaal, darunter sein erfolgreiches Cellokonzert. Wer heute im klassischen Feld Neues wagen möchte, für den ist Gulda nach wie vor ein guter Bezugspunkt.

Guldas Konzert wahrt im Grunde die klassische Form, es kommt viersätzig, allerdings mit einer auskomponierten Kadenz des Cellos in der Mitte des Werks, daher. Im ersten Satz klingen noch Jazz- und Rockmuster an, das Cello hört sich zeitweilig fast wie eine E-Gitarre an. Danach gewinnen stilistische Anklänge der alpenländischen Volksmusik die Oberhand. Nur eine Collage ist das Stück jedoch nicht, es ist satztechnisch mit allen Wassern gewaschen und sprüht vor originellen Einfällen. Auch von der Vermutung, er habe das Alpenkolorit ironisch, als bloßen Gag, verwendet, distanzierte sich Gulda scharf. Natürlich ist vieles an dem Konzert aber doch auf subtile Weise humorvoll gemeint.Der zweite Satz des Konzertes ("Idyll") beginnt mit einem getragenen Bläsersatz, der an Alphörner denken lässt und von den Bergheimern so authentisch intoniert wurde, dass man sich als Zuhörer im weiten Gebirgspanorama eingebettet wähnte. Ganz unvermutet kam da außerdem eine weiche, fast ein wenig sentimentale Seite des Rebellen Gulda zum Vorschein.

Oliver Wenhold, stellvertretender Solocellist des WDR-Rundfunkorchesters, spielte die nicht zu unterschätzende Cellopartie. Schon öfter ist er mit dem Werk aufgetreten, konnte nun wieder damit glänzen - gesangliche Phrasierung, moderne Spieltechniken und virtuose Passagen, alles ist dabei.

Am Schluss dann durften es die Bläser des Sinfonieorchesters richtig krachen lassen: Wenn das Marschfinale des Konzertes gut gespielt ist, muss es nach ordentlich scheppernder Dorfkapelle klingen.

Der kontrastierende Widerpart zu Guldas mitreißender Mischung war die Fünfte von Tschaikowski. Seine Sinfonie in e-Moll op. 64 ist ein harter spätromantischer Brocken, vor allem für ein Liebhaberorchester, auch für ein ambitioniertes, wie die Bergheimer es sind. Trotzdem ließ sich die Fünfte in Bergheim mit Gewinn hören. Kenner erfreuten sich an der immer wieder aufblitzenden klanglichen Opulenz des Orchesters oder an den gelungenen Soli von Horn und Fagott.

Auch wem Tschaikowski eigentlich noch Neuland ist, der mag doch einiges wiedererkannt haben. Die kräftigen Posaunenstöße zum Beispiel, die von den Bergheimer Blechbläsern so druckvoll wiedergegeben wurden, werden jedem, der den oscarprämierten Ballettfilm "Black Swan" gesehen hat, sofort wieder Tschaikowskis "Schwanensee"-Musik ins Gedächtnis gerufen haben.

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