20090818 ksta 450 320Kölner Stadt-Anzeiger - 18.08.2009 - Frank-Uwe Orbons

Bratsche trat aus dem Schatten

Das Sinfonieorchester Bergheim stellte beim Kirchenkonzert in St. Clemens eine orchestrale Minderheit in den Vordergrund - die Viola.

Kerpen-Horrem - Das Moskauer Bolschoi-Orchester hatte 40 solistische Violinen, die Berliner Philharmoniker zwölf Cellisten. Nun hat das Sinfonieorchester Bergheim neun Bratschistinnen und Bratschisten aus dem eigenen Verband extrahiert, um als orchestrale Minderheit die Öffentlichkeit mit einem eigenen Programm zu erfreuen. Schlicht mit "Viola Solo" war das Sonderkonzert innerhalb der Konzertreihe des Förderkreises Musik an Christus König und St. Clemens in Horrem betitelt. Und dabei handelte es sich um keine Drohung, die Ankündigung war ernst gemeint.

Über kaum ein anderes Instrument sind so viele Witze im Umlauf wie über die größere Schwester der Violine - die Viola. Bezug nehmen diese nett gemeinten Scherze auf die qualitative Arbeit des Instruments innerhalb eines Orchesters. Die Viola respektive die deutschsprachige Variante Bratsche steht immer im Schatten des Orchesterglanzes. Sie haben nie wie die Violinen die strahlende Melodie und dürfen auch nicht für das Bassfundament sorgen, sondern tummeln sich immer in der uninteressanten Mitte des Notensatzes. Viel Mühe haben sich die wenigsten Komponisten mit diesem Instrument gegeben, es repräsentiert eine Füllstimme.

Aus diesem Halbdunkel wurden die Orchesterexoten nun von Orchesterleiter Franz-Josef Stürmer ins Rampenlicht gezerrt. Und da die reine Bratschenliteratur recht rar ist, spielten die Musikerinnen und Musiker so ziemlich alles, was ihnen unter die Finger geriet. Andrea Gabrielis Ricercar im zwölften Ton hört sich gut in jeder Besetzung an. Hier konnte man den Bratschenchor einmal in seiner reinen Form hören. Alle weiteren Werke zogen weitere Instrumentalgäste und einen gemischten Satz nach sich. Henry Purcells Chaconne für Gambenensemble ließ den typisch ätherischen Klang der Kniegeige vermissen.

Johann Pachelbels Kanon, ursprünglich für drei Violinen, wirkte auch in der Bratschenversion unverwüstlich. Hier absolvierte die Bratscherin Katja Stürmer sogar einen Instrumentenwechsel und spielte den ostinaten Bass auf dem Cello. In Georg Philipp Telemanns berühmtem Bratschenkonzert versah Inga Schäfer den solistischen Part mit warmem und vollem Ton, konnte aber keine barocke Klangrede entfachen. Dies gelang der jungen Sopranistin Johanna Heinen dafür um so besser, die mit unverbildeter Stimme gerade und schnörkellos eine Arie von Johann Nikolaus Hanff und Johann Sebastian Bachs "Schafe können sicher weiden" aus der Jagd-Kantate vortrug. Dass Bratschisten auch entgegen der festgefahrenen Meinung durchaus einen Violinpart ausführen können, zeigten die nun als barockes Kammerorchester fungierenden Musiker aufs Beste.

Abgerundet wurde das außergewöhnliche Konzert, bei dem die defensive Orchestergruppe einmal im Vordergrund stand, von Johann Sebastian Bachs 6. Brandenburgischen Konzert, einem Gruppenkonzert für tiefe Streicher mit zwei konzertierenden Bratschen, dessen Soloparts von Gertrud Schmidt und Norbert Schrage übernommen wurden. Wünschenswert wäre demnächst eine Fortführung der Reihe mit einer anderen Instrumentengruppe. Dies wäre schon aus pädagogischer Sicht dringend zu empfehlen.

Bereits am 6. September findet das nächste Konzert "Heiteres und Haydnisches" im Soziokulturellen Zentrum in Horrem statt.