20080827 rundschau 450 320Rhein-Erft Rundschau - 27.08.2008 - Dietmar Fratz

Musikalische Schelmenstreiche

Orgelnacht mit musikalischen und kulinarischen Schmankerln aus Österreich

Dass die "Sindorfer Orgelnacht", die in diesem Jahr zum neunten Mal stattfindet, nicht nur eine Aneinanderreihung von Orgelkonzerten ist, hat sich herumgesprochen. "Österreich" stand in diesem Jahr als Thema über dem langen Abend. Neben Musik bis kurz vor Mitternacht in der Pfarrkirche St. Maria Königin konnte sich das sehr zahlreich erschienene Publikum (die Kirche war voll) im benachbarten Pfarrheim an Gaumenfreuden aus der touristisch belieben Alpenrepublik laben. Wiener Schnitzel, Kaiserschmarrn und Sachertorte zu Radler, Almdudler, Grünem Veltliner und Zipfer Bier: Fleißige Geister in Küche und Keller holten ein Stück Urlaub nach Sindorf.

Auch die Musik kam aus Österreich. Die erste Stunde gehörte der klangschönen Mönch-Orgel allein, und da die Bänke zur Orgel hin umgedreht waren, genoss so mancher in Ruhe den erhebenden Anblick des Instruments, das er sonst nur in seinem Rücken hört. Der Bonner Organist Christoph Hamm begann mit Haydns Flöten-Stücken, die das Signal für die Orgelnacht auf "leicht und heiter" stellten. Seinen eigenen, genießerisch registrierten Bearbeitungen von Mozart, Schubert und Bruckner folgte eine Toccata alla Rumba von Peter Planyavsky, dem Organisten des Wiener Stepahnsdoms, dessen augenzwinkernde Kompositionen den musikalischen Reigen durchzogen.

Norbert Trierweiler, der Kirchenmusiker aus dem benachbarten Horrem, gestaltete die zweite Stunde unter anderem mit Bruckner und Haydn, von dem ein Satz aus der 7. Sinfonie zusammen mit der Sindorfer Kantorin Gudrun Bonnemann vierhändig erklang. Von Planyavsky erklangen als gekonnte Mozart-Persiflage vier "Stücke für Trompetenuhr". Das auf ein drittes Manual ausgelagerte Trompetenwerk der Orgel kam hier zu voller Entfaltung, ebenso wie die luxuriösen drei Tiefbass-Register der Orgel. 
Mit Arno Hedtfeld (Tuba) kam eine rare Klangmelange zu Ohren aus urig tiefem, dennoch beweglichem Blech zu spitzigen Orgeltönen.

Das unterhaltsame Highlight war Planyavskys Kantate "Der zufriedengestellte Autobus". Moderator Dieter Schiffer (WDR), der gut gelaunt durch den Abend führte, flocht das Werk humorvoll in die Musikgeschichte ein. Als "sehr spätbarockes Werk" erinnert das Werk schon durch die Opuszahl LWV (Lach Werke Verzeichnis) 0815 an Bach. Die Kantorei Maria Königin und das Sinfonieorchester Bergheim (Einstudierung Franz-Josef Stürmer) ließen unter dem umsichtigen Dirigat Bonnemanns Ouvertüre, Choräle und Zwischenmusiken hören, die auch den Oratorien Bachs zur Ehre gereicht hätten. Freilich waren die Texte alles andere als religiös: Ein Autobus voller Touristen fährt sich in der Wiener Fußgängerzone fest und ruft Polizei und Umweltschützer auf den Plan. Das Ende bleibt offen, "da die Handschrift Bachs hier abbricht" (Schiffer).

"Polizist" Benjamin Heinen legte seine Partie mit piefigem Obrigkeitsgestus und herrlicher Verzweiflung an, allerdings in NRW-Uniform, was hoffentlich keine Spannungen nach sich zieht. Sein tragender Bass war von eben soviel schauspielerischem Talent begleitet wie der Sopranpart seiner Schwester, der "Greenpeace-Aktivistin" Annabelle Heinen, die mit abgasfreiem Kickbord daherrollte.

Den Evangelisten, Pardon: Erzähler, gab der köstliche Christoph Scheeben, dessen stoffelige Mimik ein ums andere Mal für herzhafte Lacher sorgte. Dazwischen fegten Autobusgehupe und nervige Martinshörner durch die Bläserreihen des Orchesters, und auch die Streicher gingen keinem musikalischen Schelmenstreich aus dem Weg. Selbst bei einer nicht ganz perfekt getimten Rezitativ-Kadenz blieben Zweifel, ob nicht auch dies ein kalkulierter Streich des Komponisten war.