Kölner Stadt-Anzeiger - 01.10.2008
Einfach eine nette Gemeinschaft
Die Zankereien halten sich nach Einschätzungen von Dirigenten Fran-Josef Stürmer in Grenzen, was für Musiker gar keine Selbstverständlichkeit ist.
Silvia Frimmersdorf ist mit der Geige groß geworden. Als sie zehn Jahre alt war, durfte sie ins Vororchester des Jungen Sinfonieorchesters (JSO) und bald das erste Konzert mitspielen. Das sei ein "tolles Gefühl" gewesen. 20 Jahre später ist die dreifache Mutter immer noch dabei, das Vororchester hat sie natürlich verlassen, ist dafür in das Sinfonieorchester hineingewachsen, so dass sie sagt, es sei wie eine Familien für sie geworden. Vor zwei Jahren schlossen sich das JSO und das Orchester der Stadt Bergheim zusammen. 75 Mitglieder sind es - eine Großfamilie also.
Frimmersdorf führt weit zu den Proben, die in der Grundschule Am Schwarzwasser in Ahe oder in der Bergheimer Astrid-Lindgren-Schule, aber auch einmal in der Sindorfer Kirche St. Mara Königin stattfinden. Denn mittlerweile lebt sie mit ihrer Familien in Solingen im Bergischen Land. Dort gibt es zwar auch einen Orchesterverein, in dem sie zeitweise mitspielte. Doch das Heimweh zu ihren Orchesterleuten aus Bergheim treibt sie zurück. "Mir würde es wehtun, hier aufzuhören", sagt die Hobbymusikerin und fährt regelmäßig zu den Wochenendprogen des Orchesters.
Ihr Beispiel ist kein Einzelfall. Die Vorsitzende Susanne Schrage (Flöte) kommt aus Aachen. Ebenso aus Bonn oder Ruppichteroth in der Eifel reisen die Musiker an. Dirigent Franz-Josef Stürmer ist seit Beginn mit dem Sinfonieorchester Bergheim eng verbunden. Er erhielt vom Orchestergründer und Leider des Jungen Sinfonieorchesters, Josef Weitensteiner, der auch Silvia Frimmersdorf unterrichtete, bis zu seinem Abitur Violinunterricht und gehörte als Geiger zu den ersten Mitgliedern des damaligen Weitensteiner Spielkreises.
Nach dem Tod Weitensteiners 1986 übernahm Stürmer die Leitung des Sinfonieorchesters Bergheim. In seiner über zwanzigjährigen Dirigententätigkeit machte er aus dem damaligen Schülerorchester ein ambitioniertes Liebhaberorchester. "Durch musikalische Herausforderungen werden wir immer besser. Man merkt, das die Miglieder üben", sagt Stürmer.
Selbst als das Ensemble Smetanas Moldau in Angriff nahm und der Dirigent skeptisch war, ob die Hürden nicht zu hoch sein würden, wurden er und das Publikum eines Besseren belehrt. Da das Sinfonieorchester auch das Klassikprogramm im Bergheimer Medio mitbestreitet, müsse die Qualität stimmen, sagen Stürmer und Schrage. Auch Profimusiker musizieren gerne mit sowie Musikstudenten und jungen Nachwuchsmusiker, die zum Beispiel im Landesjugendorchester spielen.
Die Zankereien hielten sich in engen Grenzen, was für Musiker nicht selbstverständlich sei. Auch gebe es bei den Streichern - bis auf die Position der Stimmführer - keine feste Sitzordnung, Rivalitäten sind also fehl am Platz. "Das ist eben eine nette Gemeinschaft", sagt Stürmer. Jeden zweiten Samstag wird im Schnitt drei Stunden lang geprobt - und natürlich auch gequatscht.
Doch sobald der Takstock erhoben wird, herrsch große Disziplin. Selbst bei einem schrägen Stück wie der "Zufriedengestellte Autobus" von Peter Planyavsky. Die Bläser hupen schrill in die barock anmutenden Streicherklänge, ein bisschen schummrig wird dem Zuhörer bei der musikalischen Achterbahnfahrt. Doch es klingt hübsch ungewöhnlich, und die Experimentierfreude der Musiker reißt mit. Das Repertoire ist breit und reicht von Barock über Klassik und Moderne bis hin zur Caféhausmusik. Für den Januar stehen Stücke der Beatles auf dem Programm, und im Mai werden die Bilder einer Ausstellung von Musorgsky gespielt.