Rhein-Erft Rundschau - 19.04.2007 - Dietmar Fratz
Bis Juni gehorchen die Viertel
"Vorsicht, dass die Viertel nicht weglaufen!", unterbricht Dirigent Franz- Josef Stürmer die Proben zu Schuberts Rosamunde-Ouvertüre. Das Werk soll neben Kompositionen von Bruch und Mozart am Sonntag, 3. Juni, im Medio aufgeführt werden. Seit Januar probt das Sinfonieorchester Bergheim für das erste Konzert nach dem Zusammenschluss der beiden traditionsreichen und ambitionierten Amateur-Orchester "Junges Sinfonieorchester" und "Orchester der Stadt Bergheim".
Als Christian Letschert-Larsson die Stabführung des vor mehr als 60 Jahren gegründeten Stadt-Orchesters abgab, setzten sich die beiden Vorstände zusammen und waren sich schnell einig über die vielen Vorteile des Zusammenschlusses, die in der musikalischen Qualität und in der breiteren Klangwaage auch die Zuhörer überzeugen sollen.
Sie einigten sich auf Franz-Josef Stürmer als Dirigenten für das neue Orchester, der schon seit 20 Jahren bei der Jungen Sinfonie am Pult steht. Die jungen Sinfoniker, gegründet vor fast 40 Jahren, sind zwar längst nicht mehr ein Jugendorchester, da die zum Teil langjährigen Mitglieder mit der Vereinsgeschichte älter geworden sind, dennoch lebt der Klang des neuen Ensembles von einer guten Mischung aus spontaner Jugend und erfahrenem Alter. Die "Jungen" mussten durch die Fusion auf den Probentermin der "Alten" einschwenken. Alle 14 Tage wird in der Schule in Ahe drei Stunden lang geprobt. Obwohl nicht immer alle der nun 60 Musikerinnen und Musiker zur Probe erscheinen können, ist Stürmer mit dem Probenbesuch zufrieden und hat auch bei leicht dezimiertem Ensemble immer einen spielfähigen Apparat zur Verfügung, mit dem er die Werke erarbeiten kann.
Idealismus braucht es da schon, alle zwei Wochen den Samstagnachmittag zu opfern, wenn andere das Wochenende genießen. Doch die Begeisterung wird hörbar durch die Spielfreude bei der Probe und die erstaunliche Disziplin. Nur selten muss Stürmer für Ruhe sorgen. Aufmerksam und konzentriert versuchen die Musiker, die Klangvorstellungen des Dirigenten umzusetzen.
Da müssen bisweilen einheitliche Bogenstriche in den Geigen vereinbart oder die Cellisten ermuntert werden, die markanten Einwürfe deutlich zu akzentuieren. Oder ein Blasinstrument muss nachgestimmt werden. Stürmer spielt selbst Geige und Oboe, kann daher Streichern und Bläsern gleichermaßen aus der Praxis gezielte Hilfestellungen geben.
Probleme bei der Doppelbesetzung der Bläser gab es durch den Zusammenschluss keine, wie die Vorsitzende Susanne Schrage unterstreicht. Eigene Trompeten hatte nur das junge Orchester, andere Bläsergruppen teilen sich die Werke untereinander auf.
Für die Flöten ist eigens ein Ensemblestück vorgesehen, damit alle vier Flötisten eingesetzt werden können - Orchesterwerke kommen üblicherweise mit zwei Flöten aus.
Konzertmeister sind abwechselnd Heinz Schöbel und Sara Dilewski, so dass auch hier niemand unter der Vereinigung leiden muss. Je nach Bedarf finden zwei- bis dreimal im Jahr "Probentage" statt. Meist vor Konzerten wird dann noch einmal intensiv in sechs Probenstunden an den Werken weiter gefeilt und poliert.
Typisch für ein Laienensemble ist, dass Musiker unterschiedlicher Qualität im Orchester sitzen, bei den Bergheimern sogar einige Profimusiker. Doch gerade darin sieht Stürmer eine Chance: Um auf hohem Niveau zu musizieren, muss entsprechend lange geprobt werden, wodurch der Charakter der Werke von allen einheitlich verinnerlicht ist, was zu einer kompakten Musiksprache führt, in der sich die Musiker aufgehoben fühlen.
Bis dahin steht noch ein gutes Stück Arbeit an, obwohl die Rosamunde-Ouvertüre schon jetzt ganz passabel klingt. Die Viertel sind übrigens dann doch weggelaufen, was Stürmer in seiner ruhig-bestimmten Art mit Humor quittiert: "Ich danke den Trompetern, dass sie an der Stelle etwas für das Tempo tun wollen. Hier ist es aber eher nicht erwünscht." Auf das Ergebnis der Probenarbeit im Juni darf man gespannt sein.