Die Molda
Friedrich Smetana wurde 1824 als 11. Kind und erster überlebender Sohn eines Bierbrauers und Amateurgeigers in Litomysl (Ostböhmen) geboren. Er brillierte früh als Pianist und, nachdem er in Prag Franz Liszt im Konzert gehört hatte, stand sein Entschluss fest, Musiker zu werden. Für ein Studium fehlte das Geld, und so hielt er sich mit Unterricht und Tanzmusik über Wasser; sein Kompositionslehrer unterrichtete ihn umsonst. Die Revolution vom 11. Juni in Prag brachte ihn auf die Barrikaden an die Seite der Kämpfer für die Freiheit des tschechischen Volkes. Er heiratete seine Jugendliebe, eine Pianistin, aber das Unglück ließ ihn nicht los. Von seinen vier Töchtern starben drei, seine Frau erkrankte an Tuberkulose, die Geldsorgen nahmen nicht ab.
So nahm er das Angebot an, als Klavierlehrer nach Göteborg zu gehen und erlebte dort die glücklichste Zeit seines Lebens als Chordirektor, Pianist und Initiator eines regen Konzertlebens. Hier schrieb er auch seine beiden ersten symphonischen Dichtungen.
1861 kehrte er nach Prag zurück und begann tschechische Opern mit nationalen Themen zu schreiben, wovon nur die komische Oper „Die verkaufte Braut“, den Sprung über die Landesgrenzen geschafft hat. Smetana hatte es in der Heimat nicht leicht. Er konnte nicht gut tschechisch und geriet im Parteigezänk der jungen Nationalbewegung zwischen alle Stühle. Er bewunderte gleichermaßen Mozart und Beethoven wie Meyerbeer, Liszt und Wagner und versöhnte sie alle in seinem persönlichen„Nationalstil“ auf hohem Niveau.
Dem Dauerstress zwischen Anfeindungen und Kampf ums materielle Überleben war seine labile Gesundheit nicht gewachsen. 1874, mitten in seinem großen Projekt, sechs symphonische Dichtungen „Mein Vaterland“ zu schreiben, ließ ihn das Gehör im Stich, die erfolglosen Behandlungen brachten ihn in finanzielle Schwierigkeiten, er konnte seine Werke nicht mehr dirigieren und musste seine Prager Wohnung aufgeben.
Von all dem hört man in der „Moldau“ nichts. Hier herrscht eitel Freude über die großartige tschechische Landschaft, die Kraft der Volksmelodien, der Stolz über die Nationalgeschichte.
Die Moldau entspringt im Gebirge aus zwei kleinen Quellen, der kalten und der warmen Moldau, musikalisch dargestellt durch zwei Flöten begleitet von gezupften Geigenklängen. Wenn beide sich vereinigen, erklingt über ständig auf und ab wogenden Wellenbewegungen die Moldaumelodie, die uns bis Prag begleiten wird. Unterwegs aber sieht der immer breiter werdende Fluss an seinen Ufern ständig wechselnde Szenen: eine Waldjagd, angekündigt durch ein Fanfarenmotiv der Hörner, eine fröhliche Tanzszene im Polkarhythmus, Elfenreigen im flirrenden Mondschein.
Dramatisch wird es an den Stromschnellen Sankt Johann, wo alle Orchesterinstrumente in gekonntem Durcheinander wild aufschäumende Wasserwirbel nachahmen. Danach strömt die Moldau breit, aber durchaus nicht langsam dahin, vorbei an der alten Burg Vysehrad, dem glorreichen Symbol des tschechischen Freiheitskampfes und erreicht die Hauptstadt Prag, die Smetana so sehr geliebt hat.